Unterrichten vom Sofa aus

Aus dem neuen Alltag einer Lehrerin

Es ist jetzt genau eine Woche her, da war ich noch eine „normale“ Lehrerin. In dieser Woche hat sich mein Beruf völlig verändert:
Ich höre kein Kinderlachen mehr, ich singe keine Lieder mehr mit meiner Klasse, ich hetze morgens nicht aus dem Haus, ich schlichte keine Streitereien mehr, ich treffe keine Kollegen. Dafür habe ich meine Familie ständig um mich, ich schaue stundenlang in meinen PC und mache lange Spaziergänge.

Natürlich überlege ich mir immer noch, was die nächsten Lernschritte meiner Zweitklässler sein müssen, woran sie Freude haben könnten und was sie interessiert. Aber es eröffnen sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten: die Kinder können tippen lernen, Hördateien anhören, Videoclips schauen.
Es stellt sich also die Frage, welches Programm, welches Tool kann ich wofür einsetzen? Wie bereite ich den Unterrichtsinhalt so auf, dass die Kinder alles verstehen und doch die neuen Medien nutzen? Gut, dass ich schon große eigene „Kinder“ im Haus habe, die mir helfend und unterstützend unter die Arme greifen, wenn das Mailprogramm abstürzt, plötzlich der Ton nicht mehr funktioniert, die Kolleginnen zu einer Telefonkonferenz eingeladen werden müssen, …

7.30 Uhr: entspannt frühstücken mit der Familie, welch ein Luxus!!
8.30 Uhr: Ab an den Schreibtisch. Die Abiturientin kämpft mit den Dateien ihrer Lehrer, die Logopädieschülerin schreibt Therapiepläne im Homeoffice, der Student im letzten Semester schreibt seine Masterarbeit, mein Mann belagert den Schreibtisch im Schlafzimmer, mein Arbeitsplatz ist im Wohnzimmer. Zentral und kommunikativ!
Zunächst werden die Unterrichtsmaterialien für den nächsten Tag zusammengestellt. Vieles habe ich schon digital, aber es ist ein großer Unterschied, ob ich den Kindern einen Arbeitsauftrag erklären kann oder ob ich alles aufschreiben muss. Also muss alles umgearbeitet werden.
9.10 Uhr: Telefonkonferenz mit den Kolleginnen. Es dauert, bis die Leitung steht. Gut, dass die Technikberater in Person unserer Kinder und Ehemänner immer in Rufweite sind. Wir besprechen, was nächste Woche an der Reihe ist. Zwischendurch Anruf der Deutschlehrerin meiner Tochter, sie gibt die Note der letzten Deutschklausur durch. Note passt! Weiter in der Kollegenbesprechung: Der Plan für die nächste Woche wird erstellt, die Arbeit für Montag verteilt.
10.00 Uhr: Jetzt produziere ich Arbeitsblätter, nehme Tondateien auf, schreibe Arbeitsanweisungen, sichte Computeranwendungen auf Tauglichkeit. Dazwischen ploppt immer mal wieder eine Mail auf. Kinder haben Fragen zur Hausaufgabe, Mütter können die Dropbox nicht füttern. Schön, dass wir alle in Kontakt sind!
11.55 Uhr: Telefonkonferenz 2. Teil: Austausch der erstellten Materialien, Änderungen, Ideen für die nächsten Tage. Der Montag ist fast fertig vorbereitet.
12.30 Uhr: Mein Mann macht einen großen Berg Pfannkuchen für die fünfköpfige Familie, ich versuche in der Zwischenzeit einzukaufen. Obst und Gemüse sind heute nicht das Problem, aber es fehlt die Sahne und natürlich die Hefe, aber der rennen wir schon seit fast einer Woche nach.
14.00 Uhr: Mittagessen
15.00 Uhr: Diesmal nur eine kurze Arbeitsphase, denn das Wetter ist zu schön. Wir möchten noch einen Spaziergang machen. Viele Menschen sind im Sheridanpark und an der Wertach, die meisten sind vernünftig und halten Abstand. Man winkt sich zu, hält einen kurzen Ratsch. Ich habe das Gefühl, die Menschen haben mehr Zeit, sind aufmerksamer und achtsamer geworden.

17.00 Uhr: Zeit für die Sichtung der Schülerarbeiten. Fleißig sind die Kinder der 2c. Sie schreiben und lesen, schreiben mir lange Mails, erstellen Plakate und begutachten die Plakate der anderen Kinder. Sie schreiben sich gegenseitig Briefe. So bleiben wir alle in Kontakt. All Ihre Produkte werde ich in den nächsten Stunden durchsehen, digital korrigieren, loben und Verbesserungen anregen. Außerdem werde ich jede Mail beantworten. Das wird mich jetzt einige Stunden beschäftigen.
22.00 Uhr: Mein letzter Akt ist dann das Hochladen der neuen Arbeiten für den nächsten Tag, aber heute ist ja Freitag und damit Wochenende. Die Aufgaben werden natürlich erst am Sonntagabend hochgeladen, denn die Kinder haben ja jetzt auch Wochenende.

Es ist ein völlig anderes Berufsbild, das ich seit einer Woche habe. Die Kinder fehlen mir, ihre Fragen und ihr Lachen, unsere Gespräche und ihre tollen Ideen, ihre Hilfsbereitschaft und auch ein bisschen das Konfliktlösen (nein, das nicht wirklich!). Ganz besonders aber fehlt mir das gemeinsame Singen mit den Kindern.
Ich vermisse Euch, Klasse 2c! Bleibt gesund und munter!

Petra Ihn-Huber, Klassenlehrerin 2c, IT-Lehrling 1. Ausbildungswoche